Die Viralität der Cookie-Challenge: Was sie wirklich über Empathie aussagt

Apr 14, 2025 at 2:23 PM

Auf TikTok hat sich ein neuer Trend unter dem Namen „Cookie-Challenge“ etabliert, der die Fähigkeit kleiner Kinder zur Empathie testen möchte. Dabei wird ein Szenario geschaffen, in dem zwei Kekse unter Servietten versteckt werden – einer für das Kind und einer für den Elternteil, während eine weitere Person leer ausgeht. Die Reaktionen der Kinder werden heimlich gefilmt und später im Internet geteilt. Psychologen warnen jedoch vor dieser Methode und betonen, dass sie keinesfalls als zuverlässiger Indikator für empathische Fähigkeiten gilt. Stattdessen sei sie ein künstliches Szenario, das die Entwicklung von Empathie bei Kindern nicht angemessen widerspiegelt.

In einem Interview mit dem amerikanischen Elternmagazin Parents äußerte Dr. Lilit Ayrapetyan, eine renommierte klinische Psychologin aus Los Angeles, ihre Bedenken gegenüber diesem Trend. Sie argumentiert, dass die Cookie-Challenge keine faire Prüfung darstellt, da Kinder ohne Vorbereitung oder Anleitung in eine künstliche Situation gestellt werden. Die Entwicklung von Empathie ist laut Ayrapetyan ein komplexer Prozess, der typischerweise zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr beginnt. In dieser Phase lernen Kinder schrittweise, die Gefühle und Bedürfnisse anderer wahrzunehmen und darauf angemessen zu reagieren.

Eltern spielen dabei eine entscheidende Rolle als Vorbilder und Wegbereiter. Durch die Demonstration großzügigen Verhaltens im Alltag können sie ihren Kindern positive Werte vermitteln. Die Cookie-Challenge hingegen sei eine einmalige, künstliche Situation, die wenig über die tatsächliche Empathiefähigkeit eines Kindes aussage. Stattdessen sollten Eltern Gelegenheiten im täglichen Leben schaffen, in denen Kinder diese Fähigkeit üben und entwickeln können. Aktivitäten wie gemeinsames Spielen, offene Gespräche über Gefühle sowie positives Verstärkung durch Lob können hierbei hilfreich sein.

Ein weiterer Aspekt betrifft die potenziellen Risiken, die mit der Challenge verbunden sind. Das heimliche Filmen und anschließende Teilen der Videos online kann das Vertrauen des Kindes in seine Bezugspersonen erschüttern. Besonders problematisch wird es, wenn Kinder, die den Keks nicht teilen, öffentlich kritisiert oder verspottet werden. Auch Dr. Robyn Koslowitz, eine klinische Kinderpsychologin, weist auf negative Auswirkungen hin, insbesondere für Eltern mit posttraumatischen Erfahrungen. Für diese Gruppe könne die Challenge tief sitzende Ängste und Selbstzweifel aktivieren, was wiederum unangemessene Erwartungen an das Verhalten ihres Kindes nach sich ziehen kann.

Eine echte Entfaltung von Empathie geschieht nicht durch einmalige Herausforderungen, sondern durch liebevolle Begleitung und tägliche Interaktion. Eltern sollten die kleinen, alltäglichen Gesten der Freundlichkeit und des Teilens ihrer Kinder wertschätzen, statt sie an künstlichen Tests zu messen. Indem sie ihren Kindern Raum geben, sich in ihrem eigenen Tempo zu entwickeln, schaffen sie optimale Voraussetzungen für die emotionale Intelligenz ihrer Sprösslinge.

Zwar mag die Cookie-Challenge einen interessanten Einblick in das Verhalten kleiner Kinder bieten, doch sie spiegelt letztlich mehr die Erwartungen und Ängste der Eltern wider als die wahre Empathiefähigkeit der Kinder selbst. Es liegt daher in der Verantwortung der Erwachsenen, bewusst auf die vielen kleinen Momente zu achten, in denen ihre Kinder Tag für Tag wachsen und lernen, mitfühlende Personen zu werden.