Kastanien sind weit mehr als nur ein saisonaler Snack. Sie waren einst ein lebenswichtiges Grundnahrungsmittel und haben eine faszinierende Geschichte. Unser Autor entdeckt die vielfältigen Facetten dieser besonderen Frucht.
Kastanien - von der Armenspeise zum Herbstgenuss
Kastanien als Prediger des Winters
Für den naturverbundenen Schriftsteller Hermann Hesse waren Bäume die „eindringlichsten Prediger". Besonders die Kastanie hatte es ihm angetan. Er schwärmte von ihrer Pracht und Üppigkeit: „Wie mächtig sie dastehen, wie üppig sie blühen, wie tief sie rauschen, wie satte volle Schatten sie werfen, wie sie im Sommer von ungeheurer Fülle schwellen und wie im Herbst ihr goldbraunes Laub so dick und weichmassig liegt!" Für Hesse waren die heißen Maroni wahre „eindringliche Prediger" des nahenden Winters.Vom Brotbaum zum Luxussnack
Einst waren Edelkastanien in den Südalpen, auf dem Balkan und in den Pyrenäen ein spottbilliges Grundnahrungsmittel. Kastanienmehl konnte bis zu zwei Jahre haltbar gemacht werden und rettete so manchen vor dem Hungertod. Ein einziger Baum reichte aus, um eine Person ein ganzes Jahr lang zu ernähren. Heute sind Edelkastanien zu einem Luxussnack geworden, den man in Großstädten für bis zu fünf Euro pro kleine Tüte erstehen kann.Vom Vergessen zum Superfood
Anfang des 20. Jahrhunderts waren in Europa noch Hunderte Kastaniensorten bekannt, die für unterschiedliche Zwecke genutzt wurden - vom Mehl bis zum Püree. Heute gelten Edelkastanien als Superfrucht mit wertvollen Inhaltsstoffen wie Vitamin C und E. Die kleinen Kraftkugeln sind kalorienarm, glutenfrei und enthalten nur wenig Fett. Kein Wunder, dass sie wieder zunehmend an Popularität gewinnen.Vielfältige Zubereitungsmöglichkeiten
Maroni lassen sich auf vielfältige Weise zubereiten. Besonders lecker sind sie, wenn man sie im Ofen, in einem Metallkessel auf offenem Feuer oder in der Pfanne röstet. Damit sie sich leichter schälen lassen, empfiehlt es sich, sie vorher kreuzweise einzuschneiden und eine Stunde in kaltem Wasser einzuweichen. Auch das Kochen in Salzwasser wie Kartoffeln ist eine gute Option. Beim Backen im Ofen sollte man eine Schale mit Wasser auf eine der unteren Schienen stellen, damit die Maroni nicht austrocknen.Eine besonders spezielle Zubereitungsart stammt aus der Schweiz: Für das Dessert Vermicelles werden Maroni in Milch gekocht, mit Vanillezucker und Kirschschnaps aromatisiert und dann mit einer Art Spätzlepresse zu dünnen braunen Würmchen geformt, die wie Spaghetti-Eis mit Sahne serviert werden.Aus dem Piemont stammt ein bodenständiges Kastanien-Rezept, das eine angenehme Balance zwischen süß und salzig anstrebt. Dafür werden die Maroni in Salzwasser gekocht und geschält, dann mit Zwiebeln, Karotten, Sellerie und Knoblauch in Olivenöl angeschwitzt. Nach dem Aufgießen mit Hühner- oder Gemüsebrühe und dem Pürieren entsteht eine cremige Suppe, die mit Crème fraîche oder Sahne verfeinert und mit frischer Petersilie garniert wird.Kastanien - mehr als nur ein Herbstgenuss
Kastanien sind weit mehr als nur ein saisonaler Snack. Sie haben eine faszinierende Geschichte als lebenswichtiges Grundnahrungsmittel und sind heute wieder als Superfood gefragt. Ob geröstet, gekocht oder zu Suppe verarbeitet - die Vielfalt an Zubereitungsmöglichkeiten macht Kastanien zu einem wahren Allrounder in der Küche. Kein Wunder, dass Hermann Hesse sie so sehr schätzte und in ihnen die „eindringlichsten Prediger" sah.