Ukraine-Geflüchtete bekommen erst Hilfe, wenn sie ihre Autos zu Geld gemacht haben. In Wien, die kürzeste Entfernung von der Grenze der Ukraine beträgt 1.508,69 km Luftlinie und knapp 20 Stunden Fahrzeit, haben viele Tausende Angst und sind auf dieser Fluchtroute angelangt. Einige Bundesländer wollen den Asylkurs verschärfen und Flüchtlinge zwingen, ihre Pkws zu verkaufen. Andernfalls soll ihnen das Geld aus der Grundversorgung gestrichen werden.
Die kürzeste Entfernung von der Grenze der Ukraine bis nach Wien beträgt 1.508,69 km – Luftlinie. Fahrdauer jedoch: knapp 20 Stunden. Dennoch haben Tausende aus Angst vor Russlands Angriffskrieg diese Fluchtroute mit dem Auto zurückgelegt. Aber dafür könnten sie jetzt in Österreich bestraft werden. Denn einige Bundesländer in dem EU-Nachbarland wollen den Asylkurs verschärfen und Flüchtlinge jetzt zum Verkauf ihrer Pkws zwingen. Andernfalls soll ihnen das Geld aus der Grundversorgung gestrichen werden, wie der Standard berichtet. Steckt dahinter nur eine Neiddebatte? Oder nimmt sich die deutsche Politik das Modell noch zum Vorbild?
In Österreich hat der Vorstoß jedenfalls eine scharfe Kontroverse über die Ukraine-Hilfe ausgelöst. Bereits seit längerer Zeit sollen vielen in dem EU-Land die Autos mit den ukrainischen Kennzeichen ein Dorn im Auge sein. Vor allem in der Hauptstadt Wien sollen viele dicke Luxus-SUVs parken, weswegen auf den sozialen Plattformen einige Verschwörungstheorien kursierten. Menschen mit dieser Art von Autos könnten unmöglich hilfsbedürftige Menschen sein, zitiert der Standard aus der Debatte.
Doch ob Vorurteil – oder nicht: Die Diskussion hat jetzt konkrete Konsequenzen. In Wien startet nämlich jetzt ein Modellprojekt. Per Einzelfallentscheidung, so berichtet auch die Kronen-Zeitung, sollen die Ämter die Bedürftigkeit von Ukraine-Geflüchteten prüfen. Wer Geld für Benzin und für die Versicherung hat, so der Grundgedanke, soll sein Auto verkaufen. Erst dann sollen die Flüchtlinge Anspruch auf die Grundversorgung haben.
In Österreich haben seit Beginn des Ukraine-Krieges aktuell rund 31.000 Menschen Zuflucht gefunden und damit erst einmal Anspruch auf die Grundversorgung als Drittstaatsangehörige. Aktuell bekommen sie einen Zuschuss von 165 Euro zur Miete und zu den Heizkosten. Hinzu kommt eine Verpflegungspauschale von 260 Euro. Für Kinder zahlt der österreichische Staat noch einmal eine Hilfe von 145 Euro aus. Wie viele der Grundversorgungsempfänger ein Auto haben und damit von den Kürzungsplänen betroffen sind, ist unklar.
Die Unterstützung für die Ukraine-Flüchtlinge in Österreich ist ein wichtiger Aspekt. Die Menschen, die hier Zuflucht gefunden haben, erhalten finanzielle Hilfe, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Jedoch, die Frage der Autos und ihrer Verwertung ist eine kontrovers diskutierte Frage.
Österreich ist ein neutrales Land und kein Mitglied der Nato. Vor diesem Hintergrund lehnt der EU-Staat eine direkte Lieferung von Waffen an die Ukraine ab. Als Hilfe gegen den russischen Angriffskrieg hat die Regierung in Wien aber wiederholt finanzielle Mittel für die zivile und humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt. Allein im Jahr 2022 waren das mehr als 100 Millionen Euro.
In Österreich stößt das Vorhaben aber durchaus auch auf Kritik. Laut dem Flüchtlingskoordinator Andreas Achrainer stecken dahinter „schikanöse Züge“, wie er dem Standard sagte. Es würde Menschen treffen, die von nur 300 Euro monatlich leben müssten, fügte er hinzu. Andere Stimmen halten auch dagegen, dass der Besitz eines Autos wichtig sei, damit die Flüchtlinge nach Ende des Ukraine-Krieges damit auch einfach wieder zurückfahren könnten. Zudem, so wenden einige Politiker ein, würden die meisten Ukraine-Flüchtlinge arbeiten und Geld verdienen. Befürworter des härteren Asyl-Kurses verweisen aber im Gegenzug darauf, dass die Zahl der Geflüchteten zuletzt immer weiter gestiegen sei.
Österreich ist dabei nicht das einzige EU-Land, dass über die Versorgung der Ukrainerinnen und Ukrainer in den Sozialsystemen diskutiert. Auch in Deutschland brennt immer wieder eine ähnliche Debatte auf. Anders als viele anderen Menschen aus Drittstaaten haben sie hierzulande Anspruch auf Bürgergeld. Aktuell steht erwerbslosen Ukrainerinnen und Ukrainern eine monatliche Auszahlung von 563 Euro zu, Heizkosten und Mietkosten werden vom Staat getragen. Von den 1,2 Millionen Geflüchteten sind zirka 530.000 Menschen bei den Arbeitsagenturen gemeldet.
Doch die Union will das ändern und die Ukraine-Geflüchtete aus dem Bürgergeld-System herausnehmen. Der sozialpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Stracke (CSU), erklärte kürzlich der Deutschen Welle: „Wer auf der Flucht vor Krieg und Gewalt ist, hat bei uns Anspruch auf Schutz. Das heißt allerdings nicht, dass es in Deutschland einen automatischen Anspruch auf das Bürgergeld geben muss.“ Stattdessen sollten ukrainische Kriegsflüchtlinge die Asylbewerberleistungen erhalten. Diese sind im Vergleich zum Bürgergeld ungefähr 100 Euro niedriger.
Gut möglich, dass nach der Bundestagswahl 2025 die Karten neu gemischt werden. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat sich jedenfalls offen gegenüber der Idee gezeigt. Nachdem er in einem Bild-Interview im Sommer „Sozialtourismus“ beklagt und für einen Aufschrei gesorgt hatte, bleibt er generell bei seiner Kritik am Bürgergeld in der jetzigen Form. Es setze die „falschen Anreize“, sagte er am Mittwochabend in der ARD-Sendung von Sandra Maischberger.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht unwahrscheinlich, dass viele Unionspolitiker nach Österreich schielen werden. Erst einmal startet das Kürzungsprojekt im Land Wien. Eine bundeseinheitliche Regelung wird es zunächst nicht geben. Zwar hatten alle Bundesländer das Vorhaben in einer Beschlussvorlage bereits in den Koordinierungsrat eingebracht – jedoch zu spät. Wegen einer versäumten Frist scheiterte es an einem Formfehler, sodass die Länder ihre Kürzungspläne nun einzeln umsetzen müssen. In Wien soll der Startschuss jetzt möglichst bald fallen. (jkf)