Öffentlich-Rechtliche und Presseverlage: Ein Ringen um Fairness im digitalen Wettbewerb

Oct 17, 2024 at 3:59 PM

Öffentlich-Rechtliche und Presseverlage: Ein Ringen um Fairness im digitalen Wettbewerb

In einer Zeit, in der die Medienlandschaft einem rasanten Wandel unterliegt, entbrennt eine Debatte zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und den Presseverlagen. Im Zentrum steht die Frage, wie ein fairer Wettbewerb zwischen diesen beiden Akteuren sichergestellt werden kann. Während die Öffentlich-Rechtlichen ihre Rolle als Informationsversorger der Bevölkerung betonen, sehen die Verlage ihre Existenz durch die zunehmende Präsenz der ARD und des ZDF im digitalen Raum bedroht. Eine Lösung, die beiden Seiten gerecht wird, scheint dringend geboten.

Ein Friedensangebot oder ein Ablenkungsmanöver?

Selbstverpflichtung statt gesetzlicher Regelung

Kai Gniffke, der Vorsitzende der ARD, hat in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur ein überraschendes Angebot unterbreitet: Anstelle einer gesetzlichen Regelung zur Begrenzung der Presseähnlichkeit der öffentlich-rechtlichen Angebote, soll eine Selbstverpflichtung der Sender treten. Doch Matthias Ditzen-Blanke, der Vorsitzende des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), sieht darin eher einen Trick als eine echte Lösung. Er verweist darauf, dass in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Schlichtungsversuche stattgefunden haben, ohne dass eine solche Selbstverpflichtung zustande gekommen wäre. Auch Stefan Hilscher, Sprecher des BDZV, äußert Zweifel an der Aufrichtigkeit des Angebots. Er fragt sich, ob Gniffke die Verleger und Politiker für so naiv hält, dass sie auf dieses Angebot eingehen würden.

Erfahrungen mit dem Südwestrundfunk

Die Verlage im Südwesten Deutschlands haben bereits Erfahrungen mit dem Südwestrundfunk (SWR) gemacht, der unter der Leitung von Kai Gniffke steht. Dabei ging es um die App "Newszone", die von den Verlagen als Wettbewerbsverzerrung empfunden wurde. Hilscher kritisiert, dass Gniffke und der SWR sich in diesem Rechtsstreit so verhalten haben, dass die Verlage gezwungen waren, langwierige Gerichtsverfahren zu führen. Er sieht darin ein Muster, das sich nun auch auf Bundesebene abzeichnet.

Texte statt Videos auf Tiktok und Instagram

Besonders überraschend ist für die Verleger, dass Gniffke als Lösung für die Ansprache junger Zielgruppen auf Tiktok und Instagram setzt. Statt auf kurze, gut gemachte Videos und Audios zu setzen, will die ARD offenbar weiterhin auf presseähnliche Textangebote setzen. Hilscher sieht darin einen Widerspruch zu Gniffkes eigener Aussage, wonach die "Tagesschau" auf diesen Plattformen sehr erfolgreich sei. Aus Sicht der Verleger wäre es sinnvoller, wenn sich die Öffentlich-Rechtlichen auf ihre Stärken in der audiovisuellen Berichterstattung konzentrieren würden, anstatt in den Bereich der Textproduktion vorzudringen.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Die Öffentlich-Rechtlichen argumentieren, dass das Verbot der Presseähnlichkeit in ihren Rundfunkauftrag eingreife und daher verfassungswidrig sei. Doch Ditzen-Blanke widerspricht dieser Sichtweise. Er verweist auf Gerichtsurteile, die festgestellt haben, dass der Gesetzgeber verfassungsrechtlich dazu verpflichtet ist, die freie Presse zu schützen. Aus seiner Sicht ist es daher verboten, mit öffentlich-rechtlichen Textangeboten die Finanzierung und Vielfalt der Presse zu beeinträchtigen. Auch das Bundesverfassungsgericht habe in Bezug auf die "Tagesschau"-App entschieden, dass der Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen hier überschritten wurde.

Umstrittene Marktstudien

Die ARD beruft sich auf eine Umfrage von Goldmedia, die belegen soll, dass nur 3% der Nutzer, insbesondere der jüngeren Generation, zu Presseprodukten wechseln würden, wenn die Textangebote der Öffentlich-Rechtlichen wegfielen. Doch Ditzen-Blanke sieht in dieser Studie einen Versuch, eigene Argumente zu stützen. Er argumentiert, dass selbst ein Zuwachs von 3% für die Presseverlage zusätzliche Erlöse in dreistelliger Millionenhöhe bedeuten würde - eine Summe, die für die Verlage durchaus relevant sei.

Horrorszenarien oder berechtigte Sorgen?

Vertreter der ARD haben in der Debatte um die Presseähnlichkeit auch Horrorszenarien entworfen. So wurde befürchtet, dass die Öffentlich-Rechtlichen keine "Breaking News" mehr machen oder vor Naturkatastrophen nicht mehr warnen könnten. Hilscher sieht diese Befürchtungen als unbegründet an. Er betont, dass es nicht darum gehe, die Sender daran zu hindern, ihrer Informationspflicht nachzukommen. Vielmehr gehe es darum, dass die Textangebote der Öffentlich-Rechtlichen nicht mit denen der Presse konkurrieren.Insgesamt zeigt sich, dass die Debatte um die Presseähnlichkeit der öffentlich-rechtlichen Angebote weiterhin hochkomplex und umstritten ist. Während die Sender ihre Rolle als Informationsversorger betonen, sehen die Verlage ihre Existenz bedroht. Eine Lösung, die beiden Seiten gerecht wird, scheint dringend geboten. Ob das Angebot der Selbstverpflichtung von Kai Gniffke ein ernsthafter Versuch ist, den Konflikt zu entschärfen, bleibt abzuwarten.