In März 2024 fand ein HVO-Lobbyevent in Berlin statt. Verkehrsminister Volker Wissing erhielt ein Lebkuchenherz von “Mobil in Deutschland” als Dank für seinen Einsatz. Dies ist ein interessanter Vorgang, der viele Aspekte aufwirft.
Die Bundestagsverwaltung und ihre Sanktionen
Die Bundestagsverwaltung hat Sanktionen gegen den Auto-Lobbyverein “Mobil in Deutschland” verhängt. Der Grund lag in einem Verstoß gegen das Lobbyregistergesetz und den darin festgeschriebenen Verhaltenskodex für Lobbyisten. Recherchen von ZDF frontal zu einer Werbekampagne für den Alternativkraftstoff HVO100 mit Verkehrsminister Volker Wissing und seinem damaligen Staatssekretär Oliver Luksic (FDP) dienten als Auslöser. Dies ist das erste Mal, dass die Bundestagsverwaltung wegen solchen Verstößen Sanktionen verhängt hat. “Mobil in Deutschland” hat mit seinem Angebot an potenzielle Kooperationspartner “ein nicht bestehendes Näheverhältnis zum Adressaten der Interessensvermittlung behauptet”, so die Begründung der Entscheidung.Die ersten Sanktionen
Jetzt gelten diese Sanktionen gegen den Lobby-Verband für zwei Jahre. Dieser Warnhinweis prangt über dem Eintrag von “Mobil in Deutschland” im Lobbyregister des Bundestages. Vertreter des Vereins dürfen für zwei Jahre nicht mehr an öffentlichen Anhörungen der Bundestagsausschüsse teilnehmen und auch an Gesetzgebungsverfahren nicht mehr beteiligt werden. Dies ist eine der zentralen Möglichkeiten für Lobbyorganisationen, die Interessen ihrer Mitglieder in Berlin zu vertreten.Zusätzliche Sanktionen
Als dritte Sanktion wird laut der Entscheidung der Bundestagsverwaltung der Zutritt zu Gebäuden des Deutschen Bundestages eingeschränkt. Vertreter des Vereins können nun keinen Tagesausweis mehr erhalten. Jedoch dürfen Abgeordnete sie weiterhin als Gäste einladen.Die Entscheidung von “Mobil in Deutschland”
“Mobil in Deutschland” nennt die Entscheidung “ungerechtfertig und unverhältnismäßig”. Über einen Anwalt teilte es auf Nachfrage ZDF frontal mit, die Entscheidung sei noch nicht rechtskräftig und man werde Rechtsmittel einlegen. Die für Kooperationspartner bestimmte Präsentation sei “an lediglich zehn bis zwölf Empfänger versandt und die missverständliche Formulierung unverzüglich und freiwillig geändert”.Die umstrittene Präsentation
ZDF frontal hatte aufgedeckt, dass die Lobbygruppe in einer an Geldgeber gerichteten Präsentation “exklusive VIP-Termine” unter anderem mit Verkehrsminister Wissing gegen Zahlung in Aussicht gestellt hatte – im Rahmen einer “Premium-Kooperation” für jährlich 9.900 Euro. Diese Präsentation ist der Grund für die Entscheidung der Bundestagsverwaltung.Die Kontakte zwischen Ministerium und Verein
Frontal-Recherchen vom Sommer hatten konkrete Hinweise darauf geliefert, dass sich Kraftstofflobbyisten gegen Geld Zugang zum Minister verschaffen konnten. Die Recherchen belegten zahlreiche Kontakte von Wissing und seinem ehemaligen Staatssekretär Luksic mit “Mobil in Deutschland”. “Mobil in Deutschland” bestritt damals, Termine gegen Geld vermittelt zu haben. Auch das Verkehrsministerium wies den Vorwurf einer “unrechtmäßigen Einflussnahme” zurück.Lobbycontrol und ihre Meinung
Die Organisation Lobbycontrol begrüßt die Entscheidung der Bundestagsverwaltung. “Die für das Lobbyregister zuständige Verwaltung sendet damit ein starkes Signal für die ganze Lobbyszene.” Die Möglichkeit von exklusiven Terminen mit hochrangigen Vertretern eines Bundesministeriums zu verkaufen ist nicht nur falsch, sondern auch ein Verstoß gegen die Regeln.Minister und Kampagnen-Unterstützer
In Reaktion auf die Frontal-Recherchen hatte das Ministerium die Schirmherrschaft im Juli auf Eis gelegt. Luksic teilte auf Nachfrage mit, die Prüfung der Bundestagsverwaltung beinhalte keine Vorwürfe gegen seine Person. Er habe die Schirmherrschaft auf Weisung des Ministers Wissing übernommen. Das Verkehrsministerium teilte ZDF frontal mit, die Schirmherrschaft sei mit dem Ausscheiden von Luksic und der FDP aus der Bundesregierung offiziell beendet.Die Kampagne von “Mobil in Deutschland”
Seit Ende Mai kann man den Kraftstoff an deutschen Tankstellen tanken. Ob der neue Sprit dem Klima tatsächlich hilft, ist umstritten. Viele Experten halten den tatsächlichen Klima-Effekt von HVO100 für Pkw unter anderem wegen seiner knappen Verfügbarkeit für begrenzt. Seine Kampagne “HVO100 goes Germany” betreibt der Lobby-Verein unterdessen in den sozialen Medien weiter.Wissing-Skandal und die Auto-Lobby
Die Lobbygruppe Mobil in Deutschland kämpft mit harten Bandagen für Verbrenner-Autos. Aktivitäten des Münchner Vereins mit Kontakten zu Spitzenpolitikern werfen Fragen auf. Dies zeigt, dass solche Skandale nicht isoliert sind und die Rolle der Auto-Lobby in der Politik eine wichtige und umstrittene ist.