Strom ist in Deutschland derzeit ein Thema von großer Bedeutung. Die Preise erreichen neue Höchstwerte, und die Frage, ob Verbraucher nun mehr bezahlen müssen, ist auf der Tagesordnung. Gleichzeitig wird wenig Strom produziert, und die Ursachen dafür sind vielfältig. In diesem Artikel werden wir uns mit diesen Fragen auseinandersetzen und versuchen, die Situation zu verstehen.
Der Schlüsselwort: Dunkelflaute
Warum ist der Strom aktuell so teuer?
Die steigenden Gaspreise spielen eine entscheidende Rolle für den extremen Preisanstieg des Stroms. Letzte Woche kostete die Produktion einer Megawattstunde aus Gas 46 Euro, während es üblicherweise rund 30 Euro beträgt. Die geopolitischen Spannungen in Nahost und die niedrigen Temperaturen mit dem damit verbundenen Anstieg durch vermehrtes Heizen sind die Hauptursachen. Zusätzlich kommt ein gekündigter Liefervertrag der österreichischen OMV mit Gazprom hinzu, über den viele europäische Staaten Gas aus Russland erhielten.Daten des Thinktanks Agora Energiewende geben einen Hinweis auf die Hauptursache des Preisanstiegs. Die Stromproduktion in Deutschland sank in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag um fast 50 Prozent. Besonders die Windstromproduktion fiel von den üblichen 19,2 Gigawatt auf nur noch knapp drei. Auch die Solarstromproduktion hat seit Anfang Dezember deutlich abgenommen. Gleichzeitig steigt der Energiebedarf im Winter durch die Kälte. Mehrere Menschen heizen ihr Heim mit einer Wärmepumpe, was den Strombedarf zusätzlich ansteigt. Und da es früher dunkel wird, steigt auch dieser Bedarf.Der Strompreis ist nur während kurzer Spitzenzeiten so hoch. In den meisten Zeiträumen lag er deutlich unter den Höchstwerten auf vergleichsweise normalem Niveau. Die Bundesnetzagentur geht nach dem jüngsten Preisanstieg Hinweise auf missbräuchliches Verhalten nach, wie der Chef der Netzagentur, Klaus Müller, der Süddeutschen Zeitung bestätigte.Warum wird aktuell so wenig Strom produziert?
Deutschland hat bereits im ersten Halbjahr 2024 5,3 Prozent weniger Strom produziert als im Vorjahreszeitraum. Die aktuelle Dunkelflaute ist der Grund für diesen Produktionseinbruch. Sie treten besonders im Winter auf. Wenn Wind und Sonne weg sind, produzieren Windenergie- und Photovoltaikanlagen nur sehr geringe Mengen erneuerbarer Energie. Stabile Hochdruckgebiete können zu Windstille und Bewölkung und damit zu Dunkelflauten führen.Dunkelflauten sind kein alleiniges deutsches Problem in der Energietransformation. Auch in Österreich, den Niederlanden, in Dänemark und sogar Norwegen stieg der Strompreis zuletzt auf Rekordwerte.Woher kommt der Strom bei Dunkelflaute?
Viele Energiequellen wie Wasserkraft oder Biomasse sind konstant und lassen sich nicht kurzfristig regulieren. Wenn Dunkelflaute herrscht, wird deshalb notgedrungen verstärkt auf fossile Energiequellen gesetzt. Besonders Gaskraftwerke werden für den Ausgleich des Angebots genutzt, da sie sich bei Bedarf schnell ans Netz schalten lassen.Deshalb wurde die Heizöl-Verstromung mit knapp einem Gigawatt auf Höchstleistung gefahren. Zudem setzt Deutschland aktuell verstärkt auf Zukäufe. Grundsätzlich importiert Deutschland während der meisten Zeiten des Jahres mehr Strom, als es exportiert. Aktuell wird besonders aus Norwegen, Polen und Belgien verstärkt Strom eingekauft.Französischer Atomstrom macht momentan (wie auch sonst im Jahresdurchschnitt) nur einen geringen Anteil am deutschen Strommix aus. Die Importe aus Frankreich betrugen beispielsweise am 12. Dezember netto insgesamt 37.000 Megawattstunden.Wird jetzt alles teurer für Endverbraucher?
Nur wer kurzfristig große Mengen Strom braucht, kauft diesen an der Leipziger Strombörse (EEX). Energiekonzerne oder Großunternehmen wie Stahlkocher haben “dynamische Tarife”. Große Verbraucher wie öffentliche Einrichtungen oder Versorger, die den Strom dann an Privatkunden verkaufen, schließen meist langfristige Verträge und sind von Tagesschwankungen an der Strombörse in der Regel erstmal nicht betroffen. Privatkunden können an der EEX gar nicht handeln.Auch das Bundeswirtschaftsministerium gibt Entwarnung. Die hohen Börsenpreise “wirken sich nicht nennenswert auf den Jahresdurchschnittspreis von Strom aus”. Der durchschnittliche Preis lag zuletzt bei 75 Euro pro Megawattstunde. Im vorigen Jahr kostete die gleiche Megawattstunde noch 95 Euro, auf dem Hoch der Energiekrise 2023 lag sie gar bei 235 Euro.Außerdem hat das Bundeswirtschaftsministerium eine “gute Nachricht”: Am Wochenende werde sich die Lage wieder beruhigen, weil dann die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien wieder zunehmen werde.Können die europäischen Nachbarn nicht helfen?
Die Stromproduktion in Deutschland ist regional stark verteilt. Windräder liefern im Norden günstige Energie, Biomasse, Kohle, Gas und Wasserkraft in Süddeutschland. Weil es nur eine einheitliche Preiszone gibt, kann sich der Strompreis nicht anpassen. Norddeutsche Kunden zahlen also für bayrische Gaskraftwerke mit.In Europa gibt es einen integrierten Energiemarkt, auf dem Strom zwischen den Ländern je nach Produktion und Bedarf ausgetauscht wird. Deshalb bekommen auch europäische Nachbarn den aktuellen Anstieg zu spüren. “Es ist eine absolut beschissene Situation”, sagte Norwegens Energieminister Terje Aasland. “Die Achterbahnfahrt der Strompreise ist unerträglich”, klagte die schwedische Energieministerin Ebba Busch auf der Plattform X. “Dies ist das Ergebnis der Abschaltung von Kernkraftwerken. Wenn der Wind nicht weht, steigen die Strompreise in diesem gescheiterten Energiesystem – wie die Strompreise in Deutschland von etwa 10 Kronen pro Kilowattstunde zeigen.” Schweden will deshalb zukünftig noch mehr auf Atomkraftwerke setzen.Haben wir das Problem nun jedes Jahr?
Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien wird sich das Problem in den kommenden Jahren absehbar sogar noch verschärfen. Denn je höher der Anteil von Wind und Solar am Strommix, desto mehr Strom muss kompensiert werden, wenn hier die Stromproduktion gedrosselt ist.“Es ist zum Verzweifeln”, monierte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) in der Bild-Zeitung: “Unsere Unternehmen und unser Land können sich keine Schönwetter-Produktion leisten. Wir brauchen dringend Kraftwerke, die sicher einspringen können.”Der Auf- und Ausbau von Speichern wäre eine Möglichkeit, dem Problem entgegenzuwirken. Dann könnten kurzfristige Dunkelflauten überbrückt werden.