Die Zukunft der Apotheken: Vom Arzneimittelverkäufer zum ganzheitlichen Gesundheitspartner

Nov 6, 2024 at 6:02 AM
In einer Zeit, in der die Digitalisierung die Branche revolutioniert, stehen die Apotheken vor einer entscheidenden Weichenstellung. Der Kampf um das elektronische Rezept (E-Rezept) hat die Apothekenlandschaft in Deutschland in Aufruhr versetzt. Während Online-Versandapotheken mit massiven Werbekampagnen um Kunden buhlen, kämpfen die Apotheken vor Ort um ihre Existenz und die Qualität der Gesundheitsversorgung. In diesem Spannungsfeld diskutieren wir mit Apothekerin Birgitta Seemüller über die Herausforderungen, Chancen und Zukunftsvisionen für den Apothekenstandort.

Apotheken im Wandel: Vom Arzneimittelverkäufer zum Gesundheitspartner

Die Rolle der Apotheken im digitalen Zeitalter

Apotheken sind weit mehr als nur Verkaufsstellen für Medikamente. Sie sind Anlaufstellen für Patienten, die nicht nur Arzneimittel, sondern auch fachliche Beratung und individuelle Versorgung suchen. Birgitta Seemüller, Inhaberin mehrerer Apotheken im Landkreis, betont: "Eine Apotheke vor Ort ist mehr, als nur Arzneipackungen über den Ladentisch zu schieben. Wir sind Versorger und Ansprechpartner. Wir beraten die Leute, stellen Arzneien selbst her und liefern auch Medikamente ins Haus." Dieses umfassende Leistungsspektrum ist es, das die Apotheken vor Ort von reinen Online-Anbietern unterscheidet.Doch die Digitalisierung stellt die Branche vor neue Herausforderungen. Die Einführung des E-Rezepts bietet zwar Chancen, wie die Möglichkeit der Bestellung per App, erfordert aber auch Investitionen in neue Technologien. Seemüller betont: "Dieses Angebot verursacht hohe Kosten. Und die Frage ist: Hat man genug Kunden, die das verlangen? Denn es ist eher ein Thema für die junge Generation." Dennoch sieht sie die Notwendigkeit, den Anschluss an den digitalen Wandel nicht zu verpassen.

Der Kampf um das E-Rezept

Der Kampf um das E-Rezept ist in vollem Gange. Online-Versandapotheken wie Redcare Pharmacy (ehemals Shop Apotheke) investieren Millionen in Werbekampagnen, um Patienten zum Einlösen ihrer Rezepte über deren Plattformen zu bewegen. Prominente Werbegesichter wie Günther Jauch sollen den Bekanntheitsgrad und die Akzeptanz der Online-Anbieter steigern.Für Birgitta Seemüller ist diese Entwicklung jedoch problematisch: "Letztlich geht es um Anteile an einem riesigen Markt und darum, das Gesundheitssystem für Investoren freizuschaufeln. Für die Patienten und Kunden geht es aber um die Frage: Wollen wir unser System, das sich bewährt hat, aufgeben oder behalten?" Sie befürchtet, dass durch den Abfluss von Geldern ins Ausland die Finanzierung der bewährten Apothekeninfrastruktur in Deutschland gefährdet wird.

Herausforderungen für Apotheken vor Ort

Neben dem Wettbewerb mit Online-Anbietern sehen sich die Apotheken vor Ort auch mit strukturellen Problemen konfrontiert. Seemüller erläutert: "Seit Jahren müssen immer wieder Apotheken schließen, weil sich der Betrieb nicht mehr rechnet. Die Frage ist: Lebe ich eine Apotheke oder bin ich nur eine Abgabestelle?" Fehlende Honoraranpassungen, steigende Kosten und der Zwangsabschlag an das Gesundheitssystem belasten die Wirtschaftlichkeit der Apotheken.Hinzu kommt der Mangel an Nachfolgern. "Für junge Einsteiger ist es ein Risiko, eine Apotheke zu übernehmen. Das erklärt, warum die eine oder andere Apotheke im Landkreis zuletzt keinen Nachfolger gefunden hat", so Seemüller. Der Erhalt der flächendeckenden Apothekenversorgung steht somit vor großen Herausforderungen.

Apotheken als Gesundheitspartner der Zukunft

Trotz der Widrigkeiten sieht Birgitta Seemüller auch Chancen für die Apotheken vor Ort. Sie betont: "Wir haben ein sehr großes Wissen, das es tagtäglich kostenlos bei der Beratung in der Apotheke gibt. Und das ohne Termin. Wo gibt es das denn sonst noch?" Dieses Fachwissen und die persönliche Betreuung sind Alleinstellungsmerkmale, die Apotheken gegenüber reinen Online-Anbietern auszeichnen.Darüber hinaus können Apotheken ihre Rolle als Gesundheitspartner für die Patienten weiter ausbauen. Seemüller erläutert: "Wir Apotheker kümmern uns jedenfalls um Alternativen und versuchen, den Patienten trotzdem gut zu versorgen. Wir versuchen zu importieren, telefonieren mit Ärzten." Dieses Engagement für die Gesundheit der Patienten ist ein entscheidender Faktor, der Apotheken von reinen Verkaufsstellen unterscheidet.Letztlich geht es darum, die Stärken der Apotheken vor Ort zu betonen und ihre Rolle als unverzichtbare Säule des Gesundheitssystems zu festigen. Nur so können sie den Herausforderungen der Digitalisierung und dem Wettbewerb mit Online-Anbietern standhalten und weiterhin eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für die Bürger sicherstellen.