In Hamburg-Nord steht am 12. Dezember Donnerstag die Wahl der SPD-Politikerin Bettina Schomburg zur Bezirksamtsleiterin an. Sie soll den Grünen Michael-Werner Boelz vorzeitig ablösen und von SPD, CDU und FDP gewählt werden, um eine gemeinsame Koalition zu bilden. Ein Bündnis aus Umwelt- und Verkehrsverbänden warnt davor, dass die drei Parteien das Auto und Parkplätze „ins Zentrum ihrer Politik“ stellen und die in Hamburg gerade erst begonnene Mobilitätswende stoppen.
Der Aufruf von 13 Organisationen
In dem am Freitag veröffentlichten Aufruf von 13 Organisationen wie Greenpeace, Nabu und dem Allgemeine Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) heißt es klar: „Dazu sagen wir klar ‚Nein!‘“. Verbesserungen für Fußgänger und Radfahrer dürften nicht „kurzsichtigen, machtpolitischen“ Interessen geopfert werden. Lebensqualität und Sicherheit der Menschen sollen „Vorrang vor der Bewahrung jedes einzelnen Parkplatzes“ haben.Die Gruppen fordern die Mitglieder der Bezirksversammlung auf, sich zur Mobilitätswende zu bekennen und „gegen die Rückkehr zur autogerechten Stadt“ zu stimmen. Sie sollten offen für neue Koalitionsgespräche sein.Rechnerisch eine Mehrheit für Grüne, SPD und Volt
Rechnerisch gibt es eine Mehrheit für Grüne, SPD und die Newcomer-Partei Volt. Die Grünen waren an den Koalitionsverhandlungen nach der Bezirkswahl im Mai nicht beteiligt. Stattdessen sprachen SPD, CDU, FDP und Volt miteinander. Die junge Partei stieg dann aber aus, weil die anderen Parteien nicht bereit waren, Parkplätze zugunsten von Rad- und Fußwegen aufzugeben.Mit der Wahl der SPD-Frau steht und fällt die Mobilitätswende
Nach Ansicht von Beobachtern steht und fällt die Mobilitätswende in den Bezirken mit der nun anstehenden Wahl der SPD-Frau. Zwar könnten Bezirke überregionale Verkehrsprojekte nicht verhindern, aber bei Parkplätzen und bezirklichen Radwegen hätten sie „die Oberhand“.Im Netz findet sich bereitsein Eckpunktepapier, auf das sich das nach seinen Farben Rot, Schwarz und Gelb auch Deutschland-Koalition genannte Parteien-Trio geeinigt hat. Darin heißt es unter anderem, man werde die „Radroute Plus ab Langenhorn nochmals kritisch überprüfen“ und erwäge, die Planungen zugunsten anderer sanierungsbedürftiger Radwege einzustellen.SPD-Bezirkfraktionschefin Tina Winter
SPD-Bezirkfraktionschefin Tina Winter sagt: „Ich finde den Vorwurf des Rollbacks nicht gerechtfertigt“. „Wir machen in dem Papier deutlich, dass wir auch am Umweltverbund und der Förderung von ÖPNV, Fuß- und Radverkehr weiter festhalten“. Es gehe aber darum, moderate Lösungen zu finden und zum Beispiel zu verhindern, dass Autos durch Wohngebiete statt auf Hauptverkehrsstraßen fahren.Wandsbek will 300 neue Parkplätze schaffen
In Wandsbek wollen die Bürger in den ersten 100 Tagen 300 neue Parkplätze schaffen. Dazu sollen an fünf Orten Poller und Eichenpfähle herausgerissen werden, damit „PKW-Stellplätze wiederhergestellt“ werden. Außerdem soll das Gehwegparken wieder erlaubt werden und an bestehenden Park+Ride-Plätzen sollen Stellplätze für Kurzparker und Anwohner geschaffen werden. Anwohnerparkzonen soll es in Wandsbek nicht geben. Tempo 30 soll Ausnahme bleiben.Die SPD wirbt in ihrem Programm für die Hamburg-Wahl für einen „Masterplan Parken“. Für Gebiete mit hohem Parkdruck soll es ein Moratorium beim Abbau von Parkplätzen geben, bis überzeugende Konzepte vorliegen.Initiativen drängen zur Mobilitätswende
In ihrem Appell drängen die Initiativen darauf, bei der Mobilitätswende nicht nachzulassen. „Politik muss Verantwortung für die Zukunft übernehmen“, sagt Cajus Priun vom Hamburger ADFC. Der Umbau der autogerechten Stadt der 1970er Jahre hin zu einer „nachhaltigen, resilienten Stadtstruktur“ soll konsequent vorangetrieben werden. Der Bau von Kfz-Parkplätzen und die Bevorzugung des Autoverkehrs seien „keine Antworten auf die Klimakrise“.„Parents for Future“ unterstützt den Aufruf
Auch die Gruppe „Parents for Future“ unterstützt den Aufruf. Eine Verkehrspolitik, die das Auto bevorzugt, gefährde nicht nur Kinder und ältere Menschen, sondern schade mittelfristig allen, sagt ihr Sprecher Christian Wöhrl. Denn wo eine Stadt dem Auto viel Raum auf versiegelten Flächen gibt, „heizt sie sich schneller auf und nimmt weniger Niederschlag auf“.Manch einer im Umfeld der Grünen vermutet sogar eine größere Strategie hinter dem „neuen Autokuschelkurs der Hamburger SPD“. Diese wolle sich für eine große Koalition nach der Bürgerschaftswahl öffnen und Stimmen von CDU-Wählern sichern. Aus der SPD heraus werden solche Ambitionen dementiert.