Das deutsche Gesundheitssystem gilt als teuer, aber gut. Wirklich?

Sep 29, 2024 at 10:24 AM

Gesundheitssystem unter Druck: Steigende Kosten und Herausforderungen für Versicherte

Das deutsche Gesundheitssystem steht vor großen Herausforderungen. Die privaten Krankenversicherer (PKV) planen, die Prämien für zwei Drittel ihrer 8,7 Millionen Mitglieder im Schnitt um satte 18 Prozent zu erhöhen. Auch die gesetzlichen Krankenkassen kündigen spürbar steigende Zusatzbeiträge an. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Steigende Ausgaben, höhere Lohnkosten, Leistungsausweitungen und der Nachholbedarf nach den Pandemiejahren. Hinzu kommen neue medizinische Verfahren und Medikamente, die nicht umsonst zu haben sind.

Gesundheitsversorgung in Deutschland: Zwischen Qualität und Zugänglichkeit

### Hervorragende Gesundheitsversorgung oder Defizite?Die privaten Krankenversicherer und ihre Verbündeten argumentieren, dass Deutschland dank des dualen Systems aus gesetzlichen und privaten Versicherungen eine "hervorragende Gesundheitsversorgung" für alle biete. Privatversicherte würden pro Kopf deutlich mehr in das System einzahlen und so Investitionen in moderne Medizin ermöglichen. Allerdings gibt es Zweifel an dieser Darstellung. Studien zeigen, dass Deutschland bei der Lebenserwartung zu den Schlusslichtern in Westeuropa gehört und weiter an Boden verliert. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung und das Max-Planck-Institut für demografische Forschung haben diese Entwicklung errechnet.Im Jahr 2000 lag Deutschland bei der Lebenserwartung bei Geburt schon um 0,7 Jahre hinter dem Rest Westeuropas, 2022 waren es sogar 1,7 Jahre. Die Deutschen zahlen immer mehr für ihre Gesundheit, sind aber – verglichen mit ihren Nachbarn – immer weniger gesund. Experten vermuten, dass eine negative Besonderheit unseres Gesundheitssystems dafür verantwortlich sein könnte: Die Leistungserbringer werden dafür belohnt, möglichst viele Behandlungen kranker Menschen durchzuführen, aber es gibt keine guten Mechanismen, um die Prävention zu fördern.### Prävention als Schlüssel zu einem besseren GesundheitssystemHier müssen dringend Verbesserungen her. Der Staat muss Prävention in großem Stil fördern und sowohl die gesetzlichen Kassen als auch die privaten Versicherer in die Pflicht nehmen. Gerade die Privaten tun sich oft schwer damit, da die Bezahlung von Präventionsmaßnahmen in ihren Tarifen nicht vorgesehen ist. Stattdessen orientieren sich ihre Tarife an den Behandlungskosten für den Einzelnen. Gesellschaftlich gewollte Vorsorge ist nicht einkalkuliert.Wenn das Gesundheitssystem mit dem dualen System tatsächlich nicht so gut funktioniert, wie die PKV behauptet, gibt es wenig Argumente für ihre fortdauernde Existenz. Eine Bürgerversicherung, die alle Bürger einbezieht, könnte eine mögliche Lösung sein. Allerdings könnte ein solcher Schritt auf Widerstand stoßen, insbesondere bei Ärzten und Eltern, die Probleme mit der Terminvergabe haben.### Ungleiche Behandlung und Zugang zur VersorgungEin weiteres Problem des dualen Systems ist die ungleiche Behandlung und der unterschiedliche Zugang zur Gesundheitsversorgung. Viele Mitglieder der gesetzlichen Kassen zahlen kaum weniger oder sogar mehr Beitrag als sie in der PKV zahlen würden – haben aber deutlich schlechtere Zugangsmöglichkeiten. Während Privatversicherte innerhalb weniger Tage einen Termin beim Orthopäden bekommen, müssen Kassenpatienten oft monatelang warten oder die Leistung selbst bezahlen.Dieses Ungleichgewicht führt zu Frust und Verbitterung in der Bevölkerung. 90 Prozent der Gesellschaft haben das Gefühl, dass eine geschlossene Gruppe von 10 Prozent, zu der auch die Beamten gehören, bevorzugt behandelt wird. Das ist in einer Gesellschaft, die auf gleichen Rechten für alle beruht, schwer zu rechtfertigen.### Ausblick: Hin zu einer Bürgerversicherung?Künftige Regierungen werden versuchen müssen, das duale System aufzubrechen und eine Art Bürgerversicherung einzuführen. Nur so kann langfristig ein besseres Gesundheitssystem für alle geschaffen werden, das die Prävention stärkt, den Zugang zur Versorgung verbessert und die Ungleichheiten zwischen gesetzlich und privat Versicherten abbaut. Dieser Schritt wird sicher nicht einfach sein, aber er ist notwendig, um die Herausforderungen des deutschen Gesundheitssystems zu meistern und eine hochwertige, zugängliche Versorgung für alle Bürger zu gewährleisten.